Herr Michel, Sie sind seit 14 Jahren bei AUCOTEC, wie hat sich die Entwicklungsarbeit für Engineering Base (EB) in der Zeit verändert?
Wo soll ich anfangen? Nein im Ernst, zunächst einmal: Die Philosophie der mehrschichtigen Plattform, die Daten auf Serverseite zu konzentrieren, aber den Zugriff und die Rechenleistung, also die Businesslogik, auf einen dedizierten Application Server zu legen, stammt aus den frühen 2000ern und ist wegweisend. Das hat kein anderes System in unserem Markt. Damit können AnwenderInnen unvergleichlich performant auf ihre Daten zugreifen und sicher sein, dass die Zugriffsrechte eingehalten werden. Dennoch: In meiner Anfangszeit konzentrierte sich hier die Entwicklung auf Komfortoptimierung, Stabilität und neue Features für den Client.
Dann gewann AUCOTEC immer mehr große Kunden und entsprechend große Projekte. Dafür haben wir Personal aufgestockt und unsere Teams agil aufgestellt, das war eine grundlegende organisatorische Änderung. Was EB angeht, hat die Entwicklung des Data as a Service (DaaS) auf Basis von Webservice Technologien uns einen enormen Schritt nach vorne gebracht.
Was kann DaaS?
Der Service ist als „Tor zum www“ beliebig skalierbar und dem Application Server vorgelagert. Dadurch mussten wir ihn nicht als den üblichen, fehleranfälligen „Standalone Server“ konzipieren. DaaS und EBs Client haben denselben Zugang auf die Daten, es gibt nur einen Quellcode, also keine Widersprüche.
Eine Desktop-Applikation „merkt“ sich für jede Datenverarbeitung einen Status. Gibt es viele Anfragen, heißt es „hinten anstellen“. Web-Zugriffe auf EB laufen dagegen völlig unabhängig voneinander. Kommen Hunderte Anfragen gleichzeitig, kann man einfach mehr Instanzen des DaaS laufen lassen. So hat der Service auch dazu geführt, dass wir für EB Frontend-Produkte entwickeln können, die Spezialaufgaben für bestimmte Zielgruppen abdecken. Dazu müssen wir den Engineering Client gar nicht verändern.
Was heißt das konkret?
Das bedeutet schlicht, dass die Entwicklungszyklen für Neuerungen wie EB Mobile View sehr viel kürzer sind. Wir haben ein gutes Jahr daran gearbeitet, nur etwa ein Drittel der Zeit, die ein vergleichbar komplexes Feature für EBs Desktop-Client erfordern kann. Und die Freigabe von Frontend-Produkten ist nicht an die einmal jährlich erfolgenden Major Releases von EB gebunden – ein Riesenvorteil, besonders für die Initiatoren solcher Apps.
Haben auch die Client-Nutzer Vorteile?
Auf jeden Fall! Sie müssen nicht mehr warten, sondern können Aufträge einfach zu DaaS auslagern, während sie ihre Client-Aufgabe weiter bearbeiten. Unternehmens-Netzwerke unterliegen zudem immer mal wieder der Gefahr von Time-outs. Das ist ein Risiko besonders für Langläufer-Aktionen, wie ein Projekt aus SAP auszulagern. Ab einem Time-Out im zweistelligen Sekundenbereich gilt der Arbeitsauftrag als fehlerhaft und wird abgebrochen, egal wie viel davon bereits ausgeführt wurde. Mit DaaS passiert das nicht. Es gibt nur eine „Quittungsnummer“ je Anfrage, mit der NutzerInnen jederzeit den Status abfragen können, bis die Aufgabe beendet ist. Selbst bei Unterbrechungen muss man nicht wieder von vorne anfangen. Der Service lässt auch ganze Systeme miteinander reden, ohne manuelle Eingriffe zu benötigen.
Haben Sie ein Beispiel?
Aber ja. Es gibt etliche große Kunden, die zahlreiche Integrationen zu EB eingerichtet haben. Mit Simulationstools, 3D, Prozessleitsystemen, aber auch diversen Eigenentwicklungen. Dort ist EB der zentrale Engineeringdaten-Backbone. Alle verbundenen Systeme können sich jederzeit automatisiert z. B. Änderungsinformationen holen – unabhängig von Client, Ort und Betriebssystem. Das Potenzial dieses Ansatzes ist noch lange nicht ausgeschöpft! Genau darauf haben wir hingearbeitet, denn der Mehrwert einer Software liegt längst nicht mehr darin, einzelne AnwenderInnen oder Disziplinen zu beschleunigen, sondern vielmehr in der Fähigkeit, die Zusammenarbeit der vielen unterschiedlichen Teams so nahtlos wie möglich zu koordinieren, denn Datenübertragungen sind zeitraubend und fehlerbehaftet. EBs Fokus auf das große Ganze zahlt sich mit enormen Synergieeffekten mehr als aus.
Beeinflusst die Entwicklung von EB zum Daten-Backbone also Ihre Arbeit?
Unbedingt – wie die der Anwender. Das Spektrum an NutzerInnen von EB-Daten wächst immer weiter, da macht eine Festlegung auf Lizenzen für bestimmte Arbeitsplätze weniger Sinn und zwingt Engineering- wie Unternehmensprozesse in ein zu enges Korsett. Mit DaaS sind die EB nutzenden „Endpunkte“ frei organisierbar. Es wird nach objektiv messbaren Datenzugriffen abgerechnet, wobei es bedarfsgerechte Staffelungen von „unlimited“ bis zu einigen Zehntausend pro Jahr gibt. Das Verstauben ungenutzter Lizenzen ist damit passé. So werden Kunden erheblich flexibler, sie brauchen allerdings eine fitte IT mit ausreichend Ressourcen. Ansonsten wird nichts gebraucht, was nicht ohnehin für den Einsatz von EB notwendig ist. Wenn Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind, ist EB nicht nur eine Engineering-, sondern quasi eine Förderplattform.