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Modellbasiertes System Engineering verbessert Planungsprozesse, Dokumentation und Design-Sicherheit

System Engineering ist geprägt von der Notwendigkeit, hierarchisch zu denken. Der Planungsprozess verlangt das Entwickeln von übergeordneten und Sub-Systemen mit unterschiedlich detaillierten Bearbeitungsstufen, von der ersten funktionalen Beschreibung bis zum letzten Leitungsstrangdetail. Oft planen und dokumentieren unterschiedliche Fachleute diese Systeme, auch mit verschiedenen Tools. Dabei liegt die besondere Herausforderung darin, einerseits den Überblick zu behalten, andererseits durchgängige Datenkonsistenz zu gewährleisten.

Der Top-down-Ansatz des System Engineerings wird hauptsächlich bei komplexen, hochpreisigen Systemen mit hohen Ansprüchen an Technologie und Sicherheit angewendet. Angefangen beim Entwurf kompakter Systeme wie Kernspin-Apparate oder Geld-Automaten, vor allem aber in der Aerospace- und Defense-Industrie.

Zukunftsplanung per Papier?

Die Erschließung des Himmels war schon immer eng verbunden mit Zukunftsvisionen und dem berühmten Blick über den Tellerrand. Umso erstaunlicher, dass die Planung modernster Satelliten und das Engineering zukunftsweisender Raumfahrttechnik zum Teil noch mit Hilfe von Papierdokumenten oder selbstgebastelten Excel-Listen erfolgt. Deren Ergebnisse werden oft per Hand weitergegeben, im besten Fall über Schnittstellen, die jedoch stets administrativen Aufwand bedeuten.

Auch digitale Dokumente sind  oft nur computerunterstützt erstellte Listen oder Grafiken, ohne Logik oder Detailinformationen dahinter. Georg Hiebl, Produktmanager der Sparte Mobility beim Software-Entwickler Aucotec, bringt das bekannte „wysiwyg“ (what you see is what you get) im Zusammenhang mit herkömmlichen Dokumenten so auf den Punkt: „What you see ist in diesem Fall leider auch all you get. Es gibt keine durchgängige Verbindung zum gesamten Engineeringprozess.“

Daten statt Dokumente

Die Aucotec AG hat daher ein System entwickelt, das mit seiner Mehrschicht-Architektur und Datenbankbasierung einerseits für simultanes, multidisziplinäres und individuell strukturierbares Engineering steht, andererseits den Hierarchie-Anforderungen des Top-down-Prinzips durchgängig und übersichtlich gerecht wird. „Hier steht das im Engineering kostbarste Gut im Mittelpunkt, und zwar die Daten, nicht die Dokumente“, sagt Hiebl.

In der Plattform Engineering Base (EB) stecken über 30 Jahre Erfahrung. Ein Dokument, egal ob Liste oder Grafik, ist hier nur eine der möglichen Repräsentanzen der Informationen, die im zentralen Datenmodell gehalten werden. Dahinter steckt viel mehr als nur das Augenscheinliche: Sämtliche Hintergrunddaten zu den Objekten sind über diese Dokumente erreichbar, auch die dort nicht sichtbaren, wie Verdrahtungsdetails und einiges mehr.

Durchgängig planen und wiederverwenden

Das klassische System Engineering gliedert sich in vier Bereiche: angefangen bei der Definition der Systeme und Subsysteme, weiter über die bauliche Infrastruktur, die anschließende Festlegung der Verdrahtungsinformationen bis zum Design der mechanischen Kabelstrang-Details. Bei EB bauen die Informationen jedes Bereichs auf den in der Hierarchiestufe davor erarbeiteten Daten auf. Nichts muss mehr doppelt eingegeben werden. Missverständnisse und langwierige Abstimmungen zwischen den Disziplinen entfallen. Das gilt auch für Informationen aus der Mechanik, denn eine bidirektionale Online-Verknüpfung sorgt für Konsistenz zwischen 2- und 3D.

„So schafft EB eine einzigartige Konsistenz und Qualität – und gleichzeitig den „Digital Twin“ des System-Harnesses. Von der ersten Vorplanung bis zur detaillierten Verkabelung steht alles im digitalen Modell der Datenbank durchgängig navigier- und bearbeitbar zur Verfügung, und zwar jedem Beteiligten in jeder Hierarchiestufe“, erklärt der Produktmanager. Dadurch lassen sich Projektarbeiten verschiedener Disziplinen parallelisieren. Fehleingaben, Irritationen bei den Prozessübergängen und Bezeichnungs-Inkonsistenzen werden verhindert. Alle logischen Beziehungen, vom Einstrichschema bis zur Detailverdrahtung, sind nutzbar. Jeder Stecker, jede Leitung ist von Anfang bis Ende verfolgbar. EB lässt den Anwendern zudem die freie Wahl, ob sie rein grafisch, rein alphanumerisch oder kombiniert arbeiten möchten.

Ein Gesamtsystem kann in übersichtlichen, unabhängigen Teilprojekten erarbeitet und freigegeben werden. Alle einmal erstellten Objekte lassen sich sowohl für die weitere Detailbearbeitung in einer Untereinheit weiterverwenden als auch als Vorlage für ein neues Projekt nutzen.

Fehler und Änderungen automatisch erkennen

Eine automatisierte frühe Fehlererkennung gewährleistet hohe Datenqualität. Das sorgt für Design-Sicherheit und verlässliche Termineinhaltung. So kann ein Mechanik-Konstrukteur zum Beispiel die 2D-Daten der Elektrik nutzen, um Kollisionen der Bündel im Bauraum zu identifizieren. Eine Warnung im obersten Blockschaltbild bei entscheidenden Änderungen im tiefer gelegenen Design sichert ebenfalls Datenkonsistenz. Das individuell konfigurierbare Datentracking-System schafft zudem Übersicht bei Änderungen. Es unterstützt sowohl die interdisziplinäre, simultane Multiuserbearbeitung als auch die Prüfung externer Zulieferer-Spezifikationen.

Sichere Bank für Massendaten

Inzwischen gibt es in der Luft- und Raumfahrtindustrie schon einige Anwender der Plattform, die damit den Sprung vom Dokumentendenken zur Datenzentrierung vollzogen haben. Auf einem von Aucotec organisierten „Technologietag Aerospace“ im Januar 2017 berichteten Experten von Airbus Defense & Space, der OHB System AG, Thales Alenia Space und Sysberry darüber, wie sie die immer komplexeren Herausforderungen des System Engineerings für die Leitungsstrang-Entwicklung mit EB meistern.

Der Umgang mit enormen Datenmassen fordert alle gleichermaßen. Konsens war auch, dass EBs Datenbankbasierung DIE Voraussetzung für den im System Engineering geforderten Top-down-Ansatz ist, ebenso wie für mehr Effizienz - inklusive durchgängig gesicherter Datenqualität selbst bei großen Datenmengen. „Nur ein für alle Beteiligten offenes Datenmodell erlaubt simultanes, kooperatives Engineering über Disziplin- Standort- und sogar Systemgrenzen hinweg“, so Georg Hiebl. „Damit müssen Änderungen nur noch an einer Stelle vorgenommen werden.“ EBs Offenheit kann neben 3D-Daten auch das ERP und weitere Fremdsysteme eng ans Engineering anbinden.

In der Praxis bestätigt

Als größte Vorteile für ihre Praxis nannten die Aerospace-Experten zum Beispiel die Flexibilität und besondere Anpassungsfähigkeit von EB, die Ingenieure nicht zwingt, ihren Workflow den Beschränkungen eines Systems unterzuordnen. Oder die grundlegende Minimierung von Schnittstellen und Datenübertragungen, vor allem händischen, wie durch die automatisch erzeugte Verdrahtungs-Grafik. Und schließlich den deutlichen Zeitgewinn sowie mehr Design-Sicherheit, vom ersten Blockschaltbild bis  zur Fertigungsdaten-Ausgabe - nicht nur für Satelliten- und Raumfahrt-Systeme.

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